Segelbezeichnungen Teil 1

Mit diesem Artikel möchten wir Klarheit in die Begrifflichkeiten der Am-Wind-Vorsegel bringen.

Einführung

Wenn etwas für den Eigner und Skipper einer Yacht eindeutig ist, dann sind es die Bezeichnungen seiner Segel auf seinem eigenen Boot.
Dabei haben sich auf einzelnen Yachten, in besonderen Revieren oder in bestimmten Seglerkreisen ganz eigene, z. T. ungewöhnliche Varianten eingebürgert. Bei Gesprächen unter Seglern kommt es dadurch aber immer wieder zu Missverständnissen. Auch wenn wir in der Segelmacherei Segelanfragen für neue Segel erhalten, sind häufiger die Begriffe für die einzelnen Segel vertauscht.

Unterschied Genua und Fock – 2 Grund­sätze

Zu Beginn unterscheiden wir zwischen den beiden Oberbegriffen Genua und Fock.

Hier lautet der erste Grundsatz:
Eine Genua nutzt die mögliche Vorlieklänge am Vorstag aus, und das Schothorn überlappt den Mast. Für die Unterteilung in Genua 1, 2 oder 3 ist dann die prozentuale Überlappung des Masts entscheidend. Die Prozentzahl bezieht sich auf das J-Maß einer Yacht. Das J-Maß ist immer der Weg vom Anschlagpunkt des Vorstags an Deck (Vorstagbolzen) bis zur Vorderkante des Masts. Das J-Maß wird immer mit 100% angesetzt und dient als Basiswert. Wenn ein Segel z. B. den Mast um 145 bis 150% überlappt, ist es eindeutig eine Genua 1.
Ermittelt wird dieser Wert nicht, wie man vielleicht glauben könnte, indem das Unterliek gemessen wird. Vielmehr wird bei jedem Vorsegel das LP-Maß zur Segelbestimmung gemessen. Dabei wird die kürzeste Entfernung vom Schothorn zum Vorliek ermittelt. Logischerweise muss sich dann zwischen dem Maßband und dem Vorliek ein 90° Winkel ergeben.

Der zweite Grundsatz heißt dann:
Im Gegensatz zu einer Genua nutzt eine Fock nicht die mögliche Vorlieklänge aus, und das Schothorn bleibt vor dem Mast. Zunächst werden wir uns die gängigen Varianten von Genua und Fock ansehen. Anschließend noch einige der Sondersegel, die zum Großteil aus den Segelplänen der Traditions- und Offshore Yachten kommen.

Genua 1

Nutzt die maximal mögliche Vorlieklänge und überlappt den Mast zwischen 140% und 150%.

Genua 2

Nutzt die maximal mögliche Vorlieklänge und überlappt den Mast zwischen 120% und 140%.

Rollreff­genua

Hat die Größe einer großen Genua 2, ist dabei aber deutlich schwerer verarbeitet, um Beschädigungen zu vermeiden, wenn das Segel eingerefft eingesetzt wird.

Genua 3

Nutzt die maximal mögliche Vorlieklänge und überlappt den Mast zwischen 100% und 110%. Da es sich um ein sehr schlankes, hochgeschnittenes Segel handelt, wird es auch häufiger als „High Aspekt Fock“ bezeichnet. Wobei der Begriff „Fock“, wie oben schon erklärt, eigentlich falsch ist. Die Genua 3, genau wie die folgende SW-Fock werden sinnvollerweise, wenn irgend möglich, mit Segellatten ausgerüstet. Diese gewähren nicht nur einen besseren Segelstand, sondern sorgen auch für eine bessere Abströmung und damit für eine wünschenswerte Aerodynamik.

SW-Fock

Das SW steht hier für Selbstwende. Die SW-Fock ist nicht nur die erste Fock, sondern auch das erste Sondersegel in unserer Betrachtung. Da die SW-Fock eine quer vor dem Mast laufende Schiene benötigt, kann das Schothorn verständlicherweise den Mast nicht überlappen. Es handelt sich hier also eindeutig um eine Fock, auch wenn das Vorliek noch die maximal mögliche Länge ausnutzen sollte. Da im Gegensatz zu allen anderen Vorsegeln bei der SW-Fock der Holepunkt auf der Genuaschiene an Deck nicht in der Längsschiffrichtung verstellt werden kann, wird dieses besondere Segel mit einem sogenannten Schotblech ausgerüstet. Das Schotblech wird in das Schothorn eingearbeitet und ist üblicherweise aus Carbon- oder Metall gefertigt. Dabei verfügt es über eine Reihe von Kauschen, die im Halbkreis angeordnet sind. Über diese Kauschen kann der Segler den Schotwinkel justieren.

Fock 1

Schon das erste Segel, das eindeutig eine Fock ist, sorgt sehr häufig für Verwirrung. Die Fock 1 nutzt rund 80% der max. Vorlieklänge und das LP-Maß liegt zwischen 75% und 85%. Es handelt sich also ganz eindeutig um eine Fock, doch leider hat sich auf vielen Yachten der Begriff Genua 4 für dieses Segel durchgesetzt. Dies ist ein klarer Fehler in der Begrifflichkeit. Die Fock 1 erhält ebenfalls des Öfteren noch Segellatten am Achterliek. Besonders auf vielen modernen Yachten stellt die Fock 1 eine sehr gute Ergänzung zur Genua 3 dar. Ab ca. 20 Kn wahrem Wind kreuzt es sich mit einer Fock 1 deutlich angenehmer und nicht langsamer als mit der dann oft zu großen Genua 3.

Fock 2

Ein Segel, das heute so gut wie ausgestorben ist, und nur noch auf Regattayachten eingesetzt wird. Und das geschieht auch nur, weil die Bestimmungen für die Offshore Kategorien dieses vorschreiben. Die Fock 2 wird in diesen Regeln als Schwerwetterfock bezeichnet und darf keine größere Segelfläche aufweisen als das Ergebnis aus der Formel: 0,135 x (Höhe des oberen Vorstagendes über Deck)²

Sturm­fock

Ebenfalls eines der wenigen Segel, für die es eine klare Definition gibt. Die Sturmfock soll in der Fläche nicht größerer sein als das Ergebnis aus der Formel:
0,05 x (Höhe des oberen Vorstagendes über Deck)²
Allerdings halten wir diesen Wert oft für zu hoch und korrigieren die Segelfläche der Sturmfock nach unten. Üblicherweise wird die Sturmfock aus orange / rotem und sehr schwerem Segeltuch gefertigt. Nach unserer Auffassung verhält es sich mit einer Sturmfock wie mit einer Rettungsinsel: Niemand möchte sie benutzen, aber aus guter Seemannschaft gehört sie auf jede seegängige Yacht.

Weitere Vorsegel

Mit der bisherigen Auflistung haben wir uns einen Überblick über die Am-Wind-Vorsegelarten auf modernen Yachten verschafft. Genau genommen müssten wir hier auch noch den CodeZero erwähnen. Da er aber nicht zum Kreuzen geeignet ist, werden wir ihn in einem weiteren Bericht bei den Downwind-Segeln näher betrachten.
Der guten Ordnung halber wollen wir uns auch noch die etwas in den Hintergrund getretenen Segel ansehen. Diese werden zwar nur noch selten eingesetzt, kommen aber durchaus noch vor. Dabei sind sie auf vielen Yachten mehr als eine nützliche Ergänzung.

Klüver

Eines der ältesten Vorsegel überhaupt ist der Klüver, häufig wird auch sein englischer Name genutzt, hier ist er als „Yankee“ bekannt. Der Klüver nutzt, genau wie die Genua, möglichst viel der möglichen Vorliekslänge und er kann ggf. auch den Mast überlappen. Ob er die Möglichkeit nutzt, hängt stark von der Yacht und dem Segelplan ab. Der große Unterschied zu einer Genua ist das Längenverhältnis von Achterliek zu Unterliek. Ein Klüver hat immer ein sehr kurzes Achterliek und ein sehr langes Unterliek. Damit ist nicht nur das Schothorn sehr hoch, sondern der Holepunkt an Deck auch sehr weit hinten. Der Klüver wird meistens zusammen mit einer Kutterfock gefahren und spielt seine Vorteile besonders auf Reach- und Halbwindgängen aus.

Kutterfock

Ein echtes Allroundsegel ist die Kutterfock. Sie wird an einem zweiten, etwas zurückliegenden Stag gefahren. Dieses Kutterstag greift zwischen 75% und 95% der Vorstaghöhe an dem Mast an.
Das Segel selber nutzt möglichst das maximale Vorliek aus. Das Schothorn bleibt, wie bei einer Fock üblich, kurz vor dem Mast und überlappt diesen nicht. Dabei ist der Einsatzbereich einer Kutterfock sehr vielfältig. Bei wenig Wind und auf Halbwindgängen wird sie unter einem Klüver gesetzt. Sobald der Wind deutlich zunimmt, ist sie das alleinige Vorsegel und ersetzt sowohl die Genua 3 als auch die Fock 1.